Gleiche Abi-Chancen für alle?

von Lukas Wiesbeck

Eine Schülerin klagte für eine Verschiebung des Abiturs, weil sie sich von der Geräuschkulisse zuhause in der Vorbereitung gestört fühlte. Aber hier machte ihr das Berliner Gericht einen Strich durch die Rechnung. Verständnis und Mitgefühl? Fehlanzeige.

Man kann es sich durchaus gut vorstellen: Man sitzt zuhause, will sich konzentrieren und lernen, genau dann will die nervige Schwester/der nervige Bruder die Musik einfach nicht leiser machen oder die Mama muss ausgerechnet jetzt staubsaugen. Und nun stelle man sich diese Situation in einer kleinen Wohnung in Berlin während der Corona-Pandemie vor. Das ist die Realität für eine Berliner Schülerin, die mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einer kleinen 2.5 Zimmer Wohnung in Berlin wohnt. Zudem kommt natürlich in der Corona-Krise, dass immer alle zuhause sind und man keine Ausweichmöglichkeiten hat.

Einerseits kann man das Gericht schon verstehen: Man kann nicht für jeden einfach so das Abitur verschieben, bloß weil es ein wenig laut ist. Mit solchen Problemen mussten sich auch schon andere Schüler in den vorherigen Jahren rumschlagen. So würde man ja nie mit dem Abitur fertig.

Aber dieses Jahr ist alles anders und besonders schlimm, dank: CORONA. Denn diese Schüler können einfach nicht ausweichen. Sie können nicht bei Freunden lernen. Sie können nicht in die leise Bibliothek ausweichen. Sie können sich nicht in den friedlichen Park setzen. Sie können nicht den Lernsaal oder die leeren Klassenzimmer in der Schule nutzen.

Aber wenigstens kann die Berlinerin sich an ihren Computer setzen und mit Kopfhörern lernen, oder? Nein, geht leider nicht, denn die Schülerin hat nicht einmal einen eigenen Computer! Und das ist wahrscheinlich das größte Versagen unseres Staates: dass nicht alle Schüler oder wenigstens die Schüler in sozial benachteiligten Familien einen Laptop zugeteilt bekommen. Nein, man setzt lieber Milliarden für einen neuen Flughafen in den Sand, als unserer Jugend wichtige Lernmittel zukommen zu lassen. Und es ist ja nicht so, als würde es nicht in anderen Ländern auch klappen. In den Niederlanden zum Beispiel bekommen die Kinder schon in der Grundschule einen Laptop zugeteilt, den sie dann nach den 4 Jahren sehr günstig abkaufen können. Davon können unsere Abiturienten nur träumen, geschweige denn unsere Grundschüler.

In der Corona-Krise dringt eine Frage ans Tageslicht: Haben wirklich alle Schüler in Deutschland die gleichen Chancen auf Bildung, wie es eigentlich im Grundgesetz verankert ist?