Catcalling und das Tabu darum

Von Hana Besirevic

Der Spruch eines fremden, ein Kommentar eines Bekannten, das Starren eines Kollegen oder Klassenkameraden bis hin zum Griff unter den Rock. Viele Menschen wurden Situationen der sexuellen Belästigung bereits ausgeliefert, darunter vor allem Frauen. Sexuell motivierte und ungewollte Berührungen einer Person sind nach deutscher Gesetzeslage strafbar. Doch für viele beginnt die Belästigung viel früher.

Das sogenannte „Catcalling“ bezeichnet eine Art der sexuellen Belästigung, die sich in Form von unerwünschten, unangebrachten und sexuell motivierten Äußerungen gegenüber Personen zeigt. Personen, die Opfer von Catcalling werden, sammeln bereits in jungen Jahren Erfahrungen damit, wissen jedoch auch nach Jahren der Belästigung nicht, wie sie sich wehren und helfen sollen. Können sie das überhaupt?  

Zahlreiche Initiativen, Aktionen, Aktivist/-innen und Petitionen international und deutschlandweit versuchten bereits Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und Catcalling als Straftat anzusehen. Eine dieser Initiativen ist die Instagramseite der „Catcalls of New York City“ die eine regelrechte Bewegung auslöste. Auf dem Social-Media-Account werden Aussagen, durch die Menschen mit sexueller Belästigung konfrontiert wurden, mit Kreide an den Ort, an dem die Belästigung stattfand, geschrieben und danach auf dem Account publiziert. Der offene Umgang mit der Belästigung, der sich viele Menschen ausgeliefert sehen und das Gefühl des „nicht allein seins“ und nicht Tolerierens der Vorfälle inspirierte viele andre dazu, auch in ihrer Stadt einen Account zu erstellen und auf das Thema aufmerksam zu machen. So entstand auch der Account „Catcalls of Ingolstadt“.

„Es geht im Grunde genommen darum, Aufmerksamkeit auf das Thema Straßenbelästigung zu lenken und darum, diesem Thema einen gewissen Raum und eine gewisse Öffentlichkeit zu verschaffen. Wir wollen den Betroffenen klar signalisieren, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind und ganz klar ausdrücken: Sowohl Catcalling als auch jede andere Form der Belästigung sind nicht zu tolerieren. Egal ob die Tat zu einem kurzen Ekelgefühl führt oder auch Verunsicherung und wirkliche Angst im Spiel sind, den Opfern muss eine Plattform geboten werden, um ihre Geschichten anonym zu erzählen und damit auch den Tätern zu zeigen, wir sind nicht alleine, wir schließen uns zusammen und helfen uns gegenseitig und vor allem: Wir schweigen nicht mehr!“

Sonsoles Pérez Laporta (feministische Aktivistin und Leitende der Instagramseite „Catcalls of Ingolstadt“)

Wenn man von Catcalling spricht, ist nicht zu leugnen, dass sich dabei eine sehr hohe Toleranz zeigt. Erzählungsberichte, in denen Betroffene die Situation schildern und dabei auf ihre Gefühle eingehen, werden oft von anderen Personen belächelt, als Überreaktion dargestellt oder sogar behauptet, man solle es als Kompliment auffassen. Eine regelmäßig auftretende Form der Belästigung, der sich auch minderjährige ausgesetzt sehen kann nicht mit Argumenten wie „So was passiert aber nur hübschen Mädchen“ verherrlicht werden. Und Täter dürfen nicht mit Argumenten wie „Das sind halt Jungs“ verteidigt werden.

„Sehr häufig herrscht immer noch der Gedanke vor, dass Frauen aufgrund ihres Aussehens oder anderer Merkmale Männern oder der Gesellschaft im Allgemeinen etwas schuldig sind. Leider werden Frauen im öffentlichen Raum und damit auch in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch auf Dinge wie Aussehen, Make-up oder Kleidung reduziert. Hat eine Frau ein gewisses Alter erreicht, wird sie einfach unsichtbar. Oder zumindest soll sie unsichtbar werden. Basierend auf diesem Gedanken und auf der systematischen Diskriminierung von Frauen, denken Männer, sie dürften alles. Ob bei Sitzplätzen in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Sprechen, im TV und im Mainstreamkino, Männer hatten und haben immer mehr Platz und Raum als Frauen. Durch das hierdurch hervorgerufene überzogene Selbstbewusstsein denken viele Männer, dass Frauen sich grundsätzlich über ihre Meinung freuen und an dieser interessiert sein müssen. Sie denken sie hätten ein Recht darauf, zumindest Catcaller denken das. Außerdem gibt es auch immer noch viele Menschen, die Catcalling banalisieren. Frauen sollen Catcalling entweder als Kompliment auffassen oder einfach ignorieren.“

Sonsoles Pérez Laporta (feministische Aktivistin und Leitende der Instagramseite „Catcalls of Ingolstadt“)

Catcalling von Flirten zu unterscheiden, fällt keinem Betroffenen schwer. Catcalling dient der reinen Provokation und Demonstration von Macht und Dominanz des Senders an den Empfänger. Es ist nie positiv gemeint. Dem sind sich sowohl Empfänger als auch Sender bewusst.

Zu behaupten, nur Frauen sehen sich Catcalling ausgeliefert wäre falsch. Jedoch muss sich nach Erfahrungsberichten jeder eingestehen, dass vor allem Mädchen und darunter besonders junge Mädchen davon betroffen sind.

Catcalling und der Umgang mit der Thematik müssen offen besprochen werden, denn von solchen Situationen darf man nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Schule oder am Arbeitsplatz ausgehen.

Und zuletzt noch ein paar Fragen an euch alle.

Wie fühlst du dich dabei? Was denkst du, wenn es passiert?