Föderalismus in der Bildung – ist das (ge-) Recht?

Ein Kommentar von Fabienne Heßberg und Maximilian Feistenberger

30.11.2022 / Lesezeit: 4 Minuten

Englischunterricht an einer Grundschule (Foto: unsplash)

Der aktuelle Unterricht an deutschen Schulen wird durch den Bildungsföderalismus aufgehalten. Die Beseitigung dieses Bürokratiemonsters sollte oberste Priorität haben.

Am 1. September 2006 trat die deutsche Föderalismusreform im Bereich der Bildung in Kraft. Seit jeher kann man unserer Bundesrepublik mit ihrer fortwährenden Debatte um den Bildungsföderalismus ein Armutszeugnis ausstellen – Politiker stehen dabei endlos debattierend einem lösungsorientiertem Denken im Weg. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Fachkräftemangel Alltag und der u.a. damit einhergehende Schrei nach Bildungsgerechtigkeit kaum größer war.

In erster Linie argumentieren Befürworter, dass vor Deutschlands historischem Hintergrund eine klare Verteilung der Zuständigkeiten auf die 16 Bundesländer eine demokratische Mindestbedingung sei. Außerdem sei so die Schuldzuweisung von Missständen an Schulen eindeutiger, wodurch etwa Stundenausfälle gezielter bekämpft werden könnten.

Dass aber eben genau die Zusammenarbeit der einzelnen Länder die Lösung dieses Problems ist, wird nicht gesehen. So wäre ohne den Föderalismus beispielsweise der Ausgleich des Lehrermangels deutlich einfacher, da Lehrer, die zum Beispiel in Niedersachsen studiert haben, nun auch in Bayern unterrichten dürften und andersherum.

Und wenn wir schon über das deutsche Bürokratiemonster sprechen, sollte man in diesem Zusammenhang auch den Digitalpakt nicht außer Acht lassen. Was anfänglich vor allem angesichts der aktuellen Corona-Pandemie als DIE Modernisierung schlecht hin verkauft wurde, gestaltet sich mittlerweile als ein nicht  zu bewältigendes Chaos. Zunächst galt die einheitliche Digitalisierung aller deutschen Schulen bis 2024 in der Politik als revolutionärer Einfall, jedoch hatten Deutschlands schlaue Köpfe nicht bedacht, dass die alleinige Anschaffung digitaler Endgeräte zur Nutzung in den Schulen nicht ausreicht. Denn durch den Föderalismus ist die Digitalisierung des Unterrichts je nach Bundesland und Schule mehr beziehungsweise in den meisten Fällen weniger fortgeschritten. Daher bedarf es sowohl Fortbildungsmaßnahmen zum sinnvollen Einsatz der Hard- und Software für Lehrer als auch zur Heimnutzung bereitgestellte Laptops oder Tablets für Schülerinnen und Schülern aus finanziell schwachen Familien.

Auch im Bereich der Mobilität machen sich die drastischen Auswirkungen stark variierender Lehrpläne schmerzlich spürbar. Sowohl Eltern als auch ihre Kinder zerbrechen sich bei berufsbedingten Umzügen den Kopf um deren schulische Zukunft. In Anbetracht der unterschiedlichen Anforderungen, welche in den Schulsystemen der jeweiligen Bundesländer herrschen, ist dies auch mehr als verständlich. Besonders diffizil wird es dann unter anderem beim Abitur, denn der Wert der Abschlüsse wird von potenziellen Arbeitgebern und der Gesellschaft je nach Bundesland unterschiedlich angesehen.

Die Qualität des Unterrichts und des damit einhergehenden Schulabschlusses basiert dabei maßgebend auf dem finanziellen Budget des jeweiligen Bundeslandes – blöd nur, dass nicht alle 16 Länder über denselben Geldbetrag verfügen.

Ist es also noch gerecht, den Föderalismus im Namen der Bildungsvielfalt aufrechtzuerhalten? Oder ist es das Recht eines jeden Schülers, dieselbe Bildung zu erfahren?

Bayerns „elitären“ Schülern bringt es jedenfalls nichts, zwar mehr gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten, aber trotzdem aufgrund von tendenziell schlechter ausfallenden Notendurchschnitten auf den endlos langen Wartelisten deutscher Universitäten zu landen.

Dabei wäre es so einfach, die immer wieder aufflammende Debatte um die Zeitmäßigkeit des Bildungsföderalismus beizulegen – im Sinne der Chancengleichheit für alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen.