Einen Inneren Monolog schreiben

Wer kennt die Kurzgeschichte „Das Brot“ von Wolfgang Borchert aus dem Jahr 1947 nicht? Bestimmt jeder von uns ist im Laufe seiner Schullaufbahn mit diesem literarischen Text des berühmten Nachkriegsautoren einmal in Berührung gekommen. Doch was geschieht, wenn man die Perspektiven umdreht? Wenn man nicht als Leser auf die Geschichte schaut, sondern den Blickwinkel einer literarischen Figur einnimmt? Nina Schmidl (BVKTW), unsere Redakteurin, hat sich diese Frage auch gestellt. Herausgekommen ist ein Innerer Monolog, und zwar aus der Sicht der Ehefrau …

Seine Stimme klingt so unecht. Das ist mir vorhin in der Küche schon aufgefallen. Doch nun erkenne ich ihn kaum wieder. Ich kenne ihn jetzt lange genug, um zu wissen, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Natürlich ist mir aufgefallen, dass er Hunger hat. Sein Magen hat ihn verraten. Genau in diesem Moment knurrt er schon wieder und das macht mich traurig. So unendlich traurig. Die momentane Lage, in der wir uns befinden, ist nicht in Worte zu fassen.   

Ich muss die aufsteigenden Tränen und mein Schluchzen unterdrücken. Ich will nicht, dass mein Mann erfährt, dass ich nicht schlafe. Ich horche nach seinem knurrenden, nach brotschreiendem Bauch. Eine nasse, salzige Träne schafft es aus meinen Augenwinkeln und läuft mir über die Wange. Ich versuche krampfhaft den Wind und die klappernde Dachrinne zu hören.

Und dann, nach vielen Minuten höre ich es. Mein Mann kaut. Er kaut das angeblich unangerührte Stück Brot, mein Stück Brot. Ich bekomme keine Luft mehr. Die angestauten Tränen kann ich nur noch mit Mühe unterdrücken und ich versuche tief und gleichmäßig zu atmen, damit mein Mann das Brot, mein Brot essen kann, ohne von mir erwischt zu werden. Morgen, denke ich. Morgen werde ich ihm eine Scheibe meines Brotes anbieten. Es ist nicht auszuhalten. Mein Herz wird brechen, wenn ich ihn noch einmal so wie heute Nacht sehen muss. Dann sind mir meine eigenen Bedürfnisse nicht so wichtig. Was bringt es mir gut zu essen, wenn mein Mann, den ich über alles liebe, hungern muss?

Bild: von Couleur auf Pixabay