Schule ändere dich!

Ein Kommentar von Gregor Weber

Das deutsche Bildungssystem ist kacke! Ich entschuldige mich hier schon mal für die Wortwahl, aber das musste jetzt mal raus. Ich habe in den letzten Monaten einige Podcasts, Vorträge und Diskussionen zum Thema Bildung gehört und auf mich wirken lassen, wie schön und wunderbar denn die Schule sein KÖNNTE, wenn man sie reformiert. Die anfängliche Freude über so viele innovative Ideen und neue Möglichkeiten des Lernens wich aber sogleich einer unglaublichen Wut auf den eben verwendeten Konjunktiv. Es könnte ja alles anders sein. Ist es aber nicht. Und es sieht auch nicht so aus, als würde es das jemals. Schade. Naja, Deutschland geht es doch gerade super. Was beschwer ich mich denn. Die Wirtschaft boomt, die Patentämter kommen gar nicht mehr hinterher und der Arbeitsmarkt kann sich kaum retten vor qualifizierten Fachkräften, die in Deutschland arbeiten wollen. Krisen haben wir kaum welche und große gesellschaftliche, politische und militärische Probleme gibt’s nicht. Warum also aufwendige Reformen und Veränderungen im Bildungssystem anstreben, wenn aus den Schulen genau die jungen Menschen purzeln, die wir für die Zukunft brauchen. (Ironie Ende) Ah ne, ist ja genau andersherum, ist ja grad scheiße alles. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, innovative Unternehmer, erfinderische Ingenieure, kreative Köpfe, definitiv mehr Handwerker und weniger BWL-Studenten. Das Bildungssystem muss andere Ansätze haben, Talente besser fördern und sich nicht an Altbewährtem festkrallen, bis es zu spät ist.

Es beginnt schon in der Grundschule, wenn die Kinder in Schubladen gesteckt werden, zu was sie es später mal bringen sollen. Mit 10 Jahren bei einem Kind zu entscheiden, ob es zu den „Schlauen“ aufs Gymnasium, zu den „Normalen“ auf die Realschule oder zu den „Dummen“ auf der Mittelschule gehört, ist Wahnsinn. Angekommen in der weiterführenden Schule sind die Lehrpläne oft so trocken wie eine Scheibe altes Brot und lassen wenig Raum für Kreativität oder praktische Anwendung. Selbst wenn der Lehrer oder die Schüler ein bestimmtes Gebiet näher erkunden und tiefgründiger verstehen wollen, anstatt die Fakten und Definitionen stupide auswendig zu lernen, ist leider keine Zeit dafür. Der nächste STOFF steht schon vor der Tür und wartet darauf, einen Tag vor der Prüfung ins jugendliche Hirn reingepresst, damit er am Tag der Prüfung auf das Papier gekotzt werden kann und schon in der Pause danach wieder vergessen ist. Das nenne ich Bildung fürs Leben, Ladies and Gentlemen.

Man lernt also lieber auswendig, in welchem Jahr genau nochmal König Mirdochegal seine Schandtaten an Vergessichsowieso verübt hat, als sich darüber Gedanken zu machen, was man denn verdammt nochmal MITNEHMEN soll aus dem Bumms hier. Stupide Fakten sind es sicherlich nicht, wobei das Auswendiglernen von bestimmten Dingen durchaus berechtigt sein kann. Es macht durchaus Sinn, wichtige und grundlegende Dinge immer parat zu haben. Aber in Maßen und zielgerichtet. Aber wer immer noch behauptet, dieser ganze wunderbare Stoff muss jetzt aber 1zu1 wörtlich abgespeichert werden, hat wohl noch nicht mitbekommen, dass man immer und überall das gesamte Wissen der Menschheit in seiner Hosentasche mit sich herumträgt. Was man nicht jedoch nicht googeln kann, sind Sozialkompetenzen, Soft-Skills, ja FERTIGKEITEN, die ja dann doch im späteren Berufsleben gar nicht mal so unwichtig sind, wie die Schule vermuten lässt. Dort kommt es dann doch eher darauf an, ob man überzeugend etwas verkaufen oder präsentieren kann, mit sozialem Verstand auf Menschen zugeht, Humor verstehen und anwenden kann, diskutieren kann und Probleme löst, die nicht durch einen ERWARTUNGSHORIZONT schon vorher mit jedem Punkt und Komma festgelegt sind, sondern deren Lösung noch gar nicht feststeht. Dann braucht man nämlich Dinge wie Kreativität und Transferdenken. Geht nicht, gibt’s nicht in der Schule. Denn wie soll man denn so was benoten? Wo kämen wir denn da hin, wenn wir nicht mehr jeden Scheiß mit Ziffern benoten und bewerten dürfen, um die vermeintliche Intelligenz und Klugheit der Schüler zu diagnostizieren.

Und nicht zu vergessen die armen Lehrerinnen und Lehrer! Sie jonglieren mit einem Berg von Papierkram und schwimmen in einem Meer von Schülern, die alle unterschiedliche Bedürfnisse haben. Sie studieren das Fach komplett von A-Z durch und können dann 90 % davon vergessen, wenn es um die Inhalte geht, die den Schülern vermittelt werden sollen. Zumindest ist es dann wieder fair: Die Lehrer müssen auch unglaubliche Berge von Fakten und Informationen Lernen, die sie nie wieder brauchen und auch wieder vergessen. Auch die Ausbildung von Lehrern ist komplett falsch. Lehrer sollte man nicht ausbilden, sondern casten. Warum? Naja zuerst einmal bringt noch das beste und tollste Fachwissen und Lehrmethoden nicht, wenn keiner einem zuhören will. Denn das ist eben immer noch die Voraussetzung, dass man wenigstens irgendwas aus der Schule mitnimmt, dass man zuhört. Mehr Entertainer in die Klassenzimmer, anstatt langweilige Fachidioten!

Auch dass das Lieblingsfach der deutschen Schüler Mathematik immer noch in Klassen unterrichtet wird, ist ein schlechter Scherz. Wo macht es denn bitte Sinn, in einer Klassenzusammensetzung, wo die besten 2-3 Schüler schon fast besser sind als der Lehrer und das schlechteste Drittel nicht einmal die Fragen versteht, im gleichen Tempo und im gleichen Schwierigkeitsgrad zu unterrichten? So werden die Begabten gebremst und die weniger Begabten nicht genug gefördert und am Ende hat keiner was davon, außer der Psychiater, der am Burnout des Mathelehrers verdient. Keinem ist so geholfen. Warum also nicht einfach ab dem sechsten Schuljahr, wo das Grundwissen gefestigt ist, den Mathe-Unterricht komplett digitalisieren? Es gibt wunderbare Lernsoftwares, die an die individuellen Leistungsniveaus und den Fortschritt angepasst werden können. So haben die Begabten eine Motivation, weiterzukommen als der Durchschnitt, können ihrer Begabung und ihrem Interesse nachgehen. Gleichzeitig werden die weniger Begabten an dem Wissensstand abgeholt, wo sie sind, und von dort individuell und effektiv gefördert. Hach es könnte alles so einfach sein. KÖNNTE.

Warum haben wir denn zu wenige Handwerker? Weil den meisten Kindern schon von Anfang an von Eltern und Schulen eingetrichtert wird, dass geistige Leitung der handwerklichen Leistung prinzipiell überlegen ist. Schwachsinn. Wer will mir denn erzählen, dass der studierte Experte in Slawischen Sprachen einen wichtigeren Job für unsere Gesellschaft macht, als ein Fliesenleger oder Dachdecker? Die Fein- und Körpermotorik wird vollkommen vernachlässigt in der Schule und das Ergebnis sind überfüllte Hörsäle und fehlende Handwerker überall.

Kurz gesagt, das deutsche Bildungssystem ist veraltet, ineffektiv und kaum zielorientiert. Und anstatt sich in kleinlichen Fragen zu verwickeln: G8 oder G9? Schulformen zusammenlegen oder nicht? Mitschreiben im Heft oder auf dem Tablet? – Das Inhaltliche ist doch entscheidend. Das was in den Schulen passiert, wie Dinge beigebracht werden und was als wichtige Kompetenzen und Inhalte gilt und was nicht. Es sollte mehr um die Software und nicht um die Hardware von Schulen gehen. Und da tut es kein Softwareupdate mit ein paar neuen Features und Funktionen. Das ganze Betriebssystem muss erneuert und überarbeitet werden.

Karikatur: Karikatur von Unbekannt in Anlehnung an Hans Traxlers Karikatur (1976). Link hierzu siehe https://www.walterherzog.ch/cartoons/chancengleichheit/.

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