Schulkino: Der Baader Meinhof Komplex

„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“

Diese Worte Ulrike Meinhofs, einer der führenden Köpfe der „Roten Armee Fraktion“ (RAF), Journalistin und Mutter von zwei Kindern, geben den Ton für diesen rasanten Film an. Mit dem „Baader Meinhof Komplex“ ist es dem Regisseur Uli Edel gelungen, über ein markantes Phänomen in unserer Zeitgeschichte zu berichten, von dem die meisten jungen Menschen heute nicht die geringste Ahnung haben. Chronologisch vorgehend, schafft es der Regisseur mit der nötigen Distanz, dem Zuschauer einen groben Überblick über die damalige Situation zu verschaffen, und gibt einem die Möglichkeit, sich über die Gefühle und Beweggründe der einzelnen Personen im Klaren zu werden. Nur manchmal sind die Szenen vielleicht mit zu vielen Handlungen übersäht, so dass dem Zuschauer die nötige Zeit fehlt, um über die Geschehnisse richtig nachzudenken. Gut und Böse, Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge sind im Film nicht klar definiert, obwohl Schauspieler wie Martina Gedeck als Ulrike Meinhof oder Moritz Bleibtreu als Andreas Baader die Emotionen und Eigenheiten der Hauptpersonen sehr überzeugend darstellen. In einer Zeit, in der die Filmproduktion jeden Krieg zu einem Feuerwerk veranschaulicht, ist der Zuschauer von zu viel Authentizität gelangweilt. Die Geschichte wurde ohnehin schon dutzende Male erzählt: Die 68er-Jahre, die Zeit der Studentenbewegung, Ermordung von Benno Ohnesorg, Anschläge, Verurteilungen, Befreiungen, wieder Verhaftungen, Entführungen, Selbstmord, Mord, Selbstgerechtigkeit. Uli Edel will mit diesem Film nicht aufklären, sondern unterhalten (das wäre von einem Spielfilm von 150 Minuten Dauer auch zu viel verlangt, man will die Zuschauer ja nicht überfordern).
Letzten Endes bleibt alles offen und irgendwie sinnentleert. War die Radikalisierung von jungen Menschen mit der Perspektive auf eine Revolution eine unvermeidliche Folge aus der Repression des Staates, oder war es eher umgekehrt? Die Antworten, die sich nach dem Kinobesuch auf alle im Film auftauchenden Fragen aufdrängen, fallen meines Erachtens sehr unterschiedlich aus. In den Anfängen der RAF waren noch über 30% der deutschen Zivilbevölkerung laut Umfragen dazu bereit, RAF-Mitglieder bei sich zu Hause zu verstecken, jedoch als sich der „Befreiungskampf“ immer mehr zu einem Privatkrieg mit den deutschen Behörden entwickelte und namhafte linke Intellektuelle der RAF ihre Berechtigung absprachen, rannten die Revolutionäre in eine Sackgasse. Waren ihre Vorstellungen nichts weiter als willkürliches Wunschdenken? Tatsache ist, dass die Vision von Baader, Ensslin und Meinhof zu diesem Zeitpunkt schon gescheitert und ihr Tod quasi die letzte Konsequenz aus der Form ihres Protests war. Alles in allem ist „Der Baader Meinhof Komplex“ ein sehr spannender und lehrreicher Film, welchen ich nur empfehlen kann. Explizit der jüngeren Generationen würde ich diesen Film ans Herz legen, da man so viele Ereignisse aus unserer Geschichte kennen lernt.

Yannick Baumgartner

1 Kommentar on Schulkino: Der Baader Meinhof Komplex

  1. Anton // 22.11.2017 um 22:32 //

    „von dem die meisten jungen Menschen heute nicht die geringste Ahnung haben“

    Das ist der wichtigste Satz im gesammten Artikel.
    Ich bin als Student erst zufällig auf diesen Film gestoßen und war überrascht, dass es tatsächlich ein Kapitel Deutscher Geschichte gibt, von dem ich bisher praktisch nichts weiß.
    Das Thema wurde in der Schule nie erwähnt und wird wenn überhaupt dann immer so behandelt, als ob Alle genauestens wissen würden worüber es geht. Aber meine Generation hat davon nicht die geringste Ahnung.
    Der Nationalsozialismus ist für uns kein Tabuthema sondern unser Fachgebiet, über welches wir aus dem Stehgreif Referate halten können, aber wenn sich unsere Elterngeneration sich auf die Geschehnisse dieses Filmes bezieht stehen wir ratlos da und fragen uns, ob das ein Insider Witz ist, den meine Generation nicht versteht.

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