Keiner gönnt dem anderen einen Hauch, eine Prise Land

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Grenze bei Bethlehem / Paolo Cuttitta / CC BY 2.0

Scheyern, 17. November 2014

Es war eine einprägsame Erzählung über die Geschichte der Palästinenser und das Leben hinter Mauern, das gerade in Deutschland nicht jedem unbekannt ist.
Es war die Wahrheit. Aus der Sicht einer Palästinenserin und mit ihren Worten.

Faten Mukarker kam mit wenigen Monaten nach Deutschland, ihre Eltern flüchteten aus einem noch heute besetzten Palästina, aus dem Heiligen Land, wie sie es lieber nennt. Faten wurde 1956 nahe Bethlehem geboren und wuchs in Bonn auf. In zwei verschiedenen Welten: Vormittags war sie in Deutschland. Wenn sie nach der Schule die Türschwelle übertrat, legte sie das Deutsche ab und betrat die andere Welt ihrer Familie, die arabische. Als junge Frau wurde sie verheiratet und hatte Glück, wie sie sagt, denn ihr Mann ist ein guter Mann. Heute ist Faten Mukarker Friedensaktivistin, Reiseleiterin und Buchautorin.
An der FOS/BOS Scheyern sprach sie über zwei einst friedlich miteinander lebenden Völker, den Alltag hinter Mauern und den Wunsch nach Freiheit.

„Land ohne Volk für ein Volk ohne Land.“

Zitierte Mukarker Theodor Herzl, „was er dabei vergaß“, sagte sie „ist dass das Land gar nicht ohne Volk war.“ Zionismus habe zum Nahost Konflikt geführt, nicht der Antisemitismus, wie es in den westlichen Medien oft verbreitet würde, so die Christin.
Ein Konflikt, der sich 1947 mit der Gründung des Staates Israel zuspitzte. Die Vereinten Nationen teilten Palästina ein zwei fast äquivalente Gebiete Israel und Palästina, um den Überlebenden des Holocausts ein eigenes Staatsgebiet zu schaffen. In der Mitte Palästinas Jerusalem als unabhängige Stadt. Die bis heute einzige UN-Resolution, die Israel je anerkannt, Palästina allerdings abgelehnt hatte.
Die Referentin zeigte eine Karte und betonte die damalige Gleichheit beider Gebiete.
Sie sprach Bedauern darüber aus, dass keines der Völker dem anderen das Land gönnte. Ein jüdisches Volk, Jahrhunderte lang ohne Land auf der einen Seite, und ein arabisches, dessen Land besetzt ist, auf der anderen.
„Warum müssen wir mit unserem Land bezahlen für etwas, das wir nicht getan haben?“. Eine Frage, welche einst Mukarkers Großvater stellte, die Sicht der Palästinenser beschreibt und bis heute unbeantwortet geblieben ist.
Denn von der knappen Hälfte des Gebiets, welches den Arabern 1947 zugesprochen wurde, verblieben nur der Gaza-Streifen und das Westjordanland.
„Das Rad der Zeit kann man nicht zurückdrehen“, klagte sie. Faten Mukarkers Stimme bekam einen merkbar traurigeren Ton, als sie erzählte, dass einen Tag später der Bürgerkrieg in ihrer Heimat ausbrach. Ein Krieg, welcher mittlerweile 47 Jahre andauert, unzählige Menschenleben gefordert hat und nach dessen Ende sich Juden und Araber gleichermaßen sehnen.
Die Rednerin zeigte Bilder aus ihrer Heimat. Meterhohe Mauern, die israelische von palästinensischen Regionen trennen und ein Stück weit ihren eigenen Garten geteilt haben. Kinder, die mit den Resten der Bomben auf den Straßen spielen. Zerstörte Olivenbäume, welche die Existenz Vieler bedeuteten. Überfüllte Checkpoints. Patrouillierende Soldaten an Grenzposten.

„Die Menschen haben nur einen Rückblick, keinen Weitblick.“

Es gibt einige wenige Juden, die sich für den Frieden einsetzen. Doch Mukarker macht deutlich, mit welchem Risiko das für die Frauen und Männer Israels verbunden ist. Wer beispielsweise den Kriegsdienst verweigert, habe kaum noch Chancen, Karriere zu machen. Und das obwohl sich die meisten, die verweigern, gar nicht als Pazifisten oder Helfer der Araber sehen, sie sind lediglich gegen die Tötung von Zivilisten.

„Man zäunt nur das ein, was einem nicht gehört.“

Manchen tue es wirklich Leid. Die Referentin berichtete von einem Befehlshaber, welcher sich mit den Worten „I’m really sorry“ bei ihr entschuldigt hatte, als er und seine Männer damit begannen, den Grund der Familie mit einem Zaun zu teilen. Leise, damit es seine Truppe nicht mitbekam. Sie schien ihm zu glauben.

Nach knapp zwei interessanten Stunden beendete Frau Mukarker ihren Vortrag. Mit einer Geschichte, die eine nachdenkliche Stimmung hinterließ. Sie erzählte davon, wie sie mit ihrer Tochter das 25. Jubiläum des Berliner Mauerfalls im Fernsehen verfolgte. Ihre Tochter fragte sie: „Unsere Mauer ist so hoch, wer soll mich da hochziehen? Und so schmal, wie soll ich darauf tanzen, wenn unser Tag gekommen ist?“
Faten Mukarkers Antwort steht für Hoffnung: „Das ist egal, Hauptsache er kommt.“
Einestages möchte sie zurückkehren. Mit Teilen ihrer Mauer, die sie und ihre Landsleute verkaufen würden wie einst die Menschen aus Deutschland. Sie hoffe auf ein Wiedersehen. Das hoffen wir auch.

1 Kommentar on Keiner gönnt dem anderen einen Hauch, eine Prise Land

  1. Fritz Waller // 27.11.2014 um 18:33 //

    Ein ansprechender Artikel zu einer Veranstaltung, die im Gedächtnis bleibt.
    Gut gemacht!

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