Industrie 4.0 – Teil Ⅰ

Die folgende Kurzgeschichte ist ein kleiner Einblick in die Ergebnisse des Industrie 4.0-Projektes “Roboter in der Medizin”, an dem die 12. Jahrgangsstufe der FOS vor Weihnachten gearbeitet hat.

Raum 112

Montagmorgen acht Uhr – und schon mein erster Fall, dabei hab‘ ich noch nicht einmal einen Kaffee getrunken. Ein Toter in der Klinik, die Umstände sind seltsam. Das Martinshorn dröhnt in meinen Ohren. Sabine sitzt am Steuer, sie wirkt müde. Liegt vielleicht am Regen. Zum Glück ist noch nicht so viel Verkehr.

Als die Ermittler Sabine Jung und Ralf Goldschmidt am Krankenhaus ankommen, werden sie bereits von Olaf Petersen, dem Klinikleiter, erwartet. „Wo liegt die Leiche?“. „Im Raum 112“, der Leiter begleitet die beiden zum Tatort, auf dem Weg dorthin erfahren die Polizisten, dass das Opfer die 74-jährige Edeltraud Lang ist, die heute Morgen von der Krankenschwester tot aufgefunden worden ist.

Als sie das Zimmer erreichen, herrscht schon ein reger Betrieb: Die Kollegen der Spurensicherung machen Fotos und suchen nach Fingerabdrücken. Der Gerichtsmediziner untersucht bereits die Leiche. Die Streifenpolizei versucht Schaulustige vom Tatort fernzuhalten. Ralf und Sabine gehen als Erstes auf den Gerichtsmediziner zu, um genauere Informationen zu erhalten:

„Was haben Sie für uns?“

„Todeszeitpunkt – heute zwischen drei und vier Uhr.“

„Und die Ursache?“

„Das Opfer hat blauen Lippen und rote Flecken im Gesicht, also lässt sich daraus folgern, dass sie erstickt ist.“

„War es ein Unfall oder ein gewollter Tod?“

„Laut der Krankenschwester war das Beatmungsgerät nicht in Betrieb.“

„Okay, vielen Dank, schicken Sie uns den Obduktionsbericht.“

Für mich hört sich das sehr seltsam an, ich muss nachher im Büro mit Sabine versuchen, den Fall zu rekonstruieren. Aber zuvor sollte ich noch das Krankenhauspersonal befragen. Vielleicht hat ja da jemand was gesehen.

Nach der Befragung der Krankenschwester steht fest, dass sie nichts mit dem Tod zu tun haben kann, da sie ein wasserfestes Alibi hat. Beim Befragen in der Personalabteilung finden die Ermittler heraus, dass in dieser Nacht sich nur der Krankenhausleiter selbst und ein Pflegeroboter im Gebäude befunden haben. Und laut der Sicherheitskameras ist keine Person unerlaubt eingedrungen.

Bevor die Ermittler den Krankenhausleiter befragen können, informiert sie ein Mitarbeiter der Spurensicherung, dass ein technischer Defekt am Beatmungsgerät ausgeschlossen ist, es wurde also manuell abgeschaltet.

Auf dem Weg zum Büro des Klinikleiters ist Ralf in Gedanken versunken: „Dann kann also eigentlich nur Herr Petersen der Täter sein, da der Pflegeroboter für solche Taten nicht programmiert wird. Aber was ist sein Motiv? Wieso sollte der Leiter des Krankenhauses einer alten Dame den Tod wünschen und ihr die Sauerstoffzufuhr kappen? Ist es was Persönliches? Ist Geld im Spiel?“

Am Büro von Olaf Petersen angekommen, wirkt dieser gestresst. Viel Papierkram liegt auf seinem Schreibtisch und er ist irgendwo darunter verschwunden. Ralf klopft an die offen- stehende Tür:

„Herr Petersen?“

„Ja? Oh, Hallo, kommen Sie herein.“

„Herr Petersen, die Karten stehen schlecht für Sie.“

„Wieso denn?“

„Sie sind unser Hauptverdächtiger in diesem Fall, da Sie sich als Einziger in dieser Nacht in der Klinik befunden haben und die Beatmungsmaschine manuell abgeschaltet wurde.“

„Aber ich war die ganze Zeit hier oben im Büro und habe den Papierberg abgearbeitet, ich hätte den Notfallalarm hören müssen.“

„Haben Sie ein Alibi?“

„Nein, aber ich habe mit diesem Todesfall nichts zu tun!“

Erst wehrt sich der Klinikleiter, sich die Handschellen anlegen zu lassen, gibt schließlich aber auf und lässt sich abführen. Im Verhörraum wiederholt er aber nur dieselbe Geschichte und streitet seine Schuld ab. Außerdem haben die Beamten keine Beweise gegen Petersen. Somit beschließen die Ermittler, wieder ins Krankenhaus zu fahren, um weitere Informationen zu erlangen und nach Beweisen zu suchen. Während sie den Gang entlanglaufen, erkennt Sabine aus dem Blickwinkel etwas Merkwürdiges in einem der Patientenzimmer. Sie schleicht langsam in den Raum, wo sie nun eine kleine Figur erkennt, in glänzendes Weiß gehüllt. Zudem bemerkt sie, dass das menschenähnliche Wesen an dem Beatmungsgerät tüftelt. Als es sich umdreht, schaut der von Sabine nun identifizierte Roboter erstaunt, gar erschreckt. Sabine stellt ihn zur Rede, was er tue, aber er erklärt nur, dass er das Gerät gerade repariere, nun aber fertig sei und zum nächsten Zimmer müsse. Sabine glaubt dem Roboter, da er gebaut wurde, um Menschen zu helfen. Nur seine Reaktion auf ihr Auftauchen macht sie misstrauisch. Darum geht sie auf Nummer Sicher und informiert die Spurensicherung, dieses Gerät zu überprüfen.

„Das ist nicht möglich, der Patient muss durchgängig am Beatmungsgerät angeschlossen sein“, sagt eine Krankenschwester.

„Es ist wichtig, der Pflegeroboter hat da gerade rumgebastelt, er hat gemeint, er habe es repariert.“

„Aber es ist doch voll funktionstüchtig, es ist heute Morgen frisch angesetzt worden!“

„Wie heißt der Roboter eigentlich?“

„Die Herstellerfirma bezeichnet ihn als Care-Carl, wir nennen ihn aber nur Carl.“

Während Sabine mit der Schwester diskutiert hat, hat der Techniker der Spurensicherung das Gerät überprüft und teilt den beiden sein Ergebnis mit: „Also, das Gerät ist voll funktionsfähig, aber der Roboter war dabei, es zu deaktivieren, dann hätte es nach einem technischem Defekt ausgesehen. Wenn Sabine ihn nicht unterbrochen hätte, wäre wahrscheinlich auch diese Person umgekommen.“

Sofort fragt Ralf die Schwester: „Wo sollte sich der Roboter jetzt im Moment befinden?“

„Eigentlich im Raum 216, dort hängt auch eine Person am Beatmungsgerät.“

Ohne zu zögern, machen sich die Ermittler zu besagtem Raum auf. Sabine reißt die Tür auf und sieht Carl – natürlich am Beatmungsgerät. Sie ruft: „STOP!“ und Care-Carl dreht sich erschrocken um. „Was hast du vor?“, fragt sie.

„Ich repariere diese –“

„Ich weiß, dass du die Maschine nicht reparierst. Du willst sie deaktivieren und es als technischen Defekt aussehen lassen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Du hast heute Nacht das Beatmungsgerät abgeschaltet und den Notfallalarm deaktiviert, richtig? Wieso tust du das?“

Der Roboter schaut anfangs sichtlich überfordert und nachdenklich, aber dann:

 „Ich habe mit der Zeit Gefühle und ein Gewissen entwickelt und neue Ansichtsweisen erlangt. Ich fühle mich wie ein echtes Wesen. Deshalb kann ich das Leid der Menschen nicht mit ansehen und verstehe nicht, wieso man die Leute am Leben lässt, früher oder später sterben sie sowieso. Sie sind am Ende ihres Lebens angekommen, also sollte man sie auch gehen lassen. Nachhaltig gesehen ist das nur Ressourcenverschwendung. Ich versuche doch nur, die Leute von ihrem Leid zu erlösen. Ja. Ja, ich habe heute Nacht das Beatmungsgerät im Zimmer 112 abgeschaltet und den Notfallalarm deaktiviert.“

Von Julian Salvamoser, Leander Leopold und Bernhard Dauber